Steuerbefreiung

Die Steuerbefreiung und ihre Einschränkungen

Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gelten eigentlich als erfüllt, sobald eine Vorsorgeeinrichtung einer Aufsichtsbehörde unterstellt wurde. Dennoch stellt sich die Frage nach der Gefährdung der Steuerbefreiung in gewissen Fällen.

Steuerliche Behandlung von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge

Artikel 80 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) sieht vor, dass Vorsorgeeinrichtungen, soweit ihre Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich der beruflichen Vorsorge dienen, von den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden befreit sind.

Verwendung der Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich zu Vorsorgezwecken

Die Einkünfte und Vermögenswerte von Vorsorgeeinrichtungen sind ausschliesslich dazu bestimmt, älteren Menschen, Hinterlassenen und Invaliden bei Eintreten eines Vorsorgefalls im Zusammenhang mit Alter, Tod oder Invalidität ein Ersatzeinkommen zu gewährleisten. Ebenfalls über diese Einkünfte und Vermögenswerte der Einrichtung finanziert werden, können sämtliche Verwaltungs- oder Aufsichtsaufgaben, die einen direkten Bezug zur Erreichung dieses Ziels haben und im Interesse der Versicherten erfolgen, unabhängig davon, ob diese Aufgaben nun vom Stiftungsrat selbst oder von beauftragten Dritten wahrgenommen werden (Art. 51a ff. BVG).
Wird das Vorsorgevermögen hingegen zu anderweitigen, nicht mehr ausschliesslich der Vorsorge dienenden Zwecken eingesetzt, so können die Stiftungsorgane für Schäden, die den Versicherten entstanden sind, haftbar gemacht werden.

Die derzeitigen Einschränkungen

Seit dem Inkrafttreten der ersten BVG-Revision im Jahr 2005 wachen die Aufsichtsbehörden über die Einhaltung der Leitlinien der Vorsorge (Angemessenheit, Kollektivität, Gleichbehandlung, Planmässigkeit und Versicherungsprinzip), die Steuerbehörden wiederum stützen sich im Wesentlichen auf die Analyse der Aufsichtsbehörden.i Ausserdem haben diese beiden Behörden Verfahren eingeführt, die ihnen einen Meinungsaustausch über kritische Fragen ermöglichen. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gelten somit eigentlich als erfüllt, sobald die Entscheidung einer Unterstellung unter eine Aufsichtsbehörde getroffen wurde. Daher stellt sich die Frage der Gefährdung der Steuerbefreiung eher im Zusammenhang mit der Geschichte und der künftigen Entwicklung einer Vorsorgeeinrichtung.

Kritische Fallbeispiele

Die Schweizerische Steuerkonferenz hatte bereits die Gelegenheit, verschiedene spezifische Fälle zu analysieren, bei denen es zu einem Entzug der Steuerbefreiung kam.ii Nachstehend seien zwei Fallbeispiele aufgeführt.

Die Einrichtung bewahrt das freie Vermögen des Versicherten mit dessen Einwilligung auch nach Eintreten eines Versicherungsfalls auf

Verwaltet eine Vorsorgeeinrichtung mit der Einwilligung des Versicherten dessen frei gewordenes Vermögen, beispielsweise das bei Beendigung der Erwerbstätigkeit im ordentlichen oder vorzeitigen reglementarischen Rentenalter fällige Alterskapital, so übt sie eine Finanz- oder Banktätigkeit aus, die automatisch den Verlust der Steuerbefreiung zur Folge hat. Dieser Sachverhalt mag momentan noch «exotisch» erscheinen, gewinnt aber angesichts der enormen Zunahme von 1e-Stiftungen, die ausschliesslich überobligatorische Pläne mit freier Wahl der Anlagestrategie anbieten, zusehends an Bedeutung.
Wenn nun diese Leistungen während einer Baisse fällig werden, so ist die Versuchung gross, auf Verlangen des Versicherten dessen investiertes Kapital weiter zu verwalten, um ihm die Möglichkeit zu bieten, seine Leistungen zu einem günstigeren Zeitpunkt zu beziehen. Diese Einrichtungen haben eine erhöhte Informationspflicht hinsichtlich der Risiken, die mit der Wahl der Anlagestrategie verbunden sind. Sie sind zudem verpflichtet, die Leistungen bei Fälligkeit ohne die Möglichkeit eines Rentenaufschubs auszuzahlen.iii Ausserdem könnten Stiftungen versucht sein, das Vorsorgekapital einzubehalten, um die in Art. 79b Abs. 3 BVG aufgeführte dreijährige Sperrfrist einhalten zu können, was aber die Steuerbefreiung der Vorsorgeeinrichtung ebenfalls in Frage stellen würde.iv

Die Einrichtung übernimmt die Aufgabe des Arbeitgebers

Eine Einrichtung, deren Zweck unter anderem darin bestünde, das Einkommen von Versicherten, die während ihres Erwerbslebens oder vor der Pensionierung unbezahlten Urlaub nehmen möchten, durch die Ausrichtung von ausschliesslich durch Arbeitgeberbeiträge finanzierten Ersatzleistungen zu kompensieren, würde ihre Steuerbefreiung aufs Spiel setzen. In diesem Fall würde die Einrichtung durch die Zahlung solcher Leistungen quasi den Arbeitgeber ersetzen, denn eigentlich sind solche Leistungen vollumfänglich vom Arbeitgeber über die Bildung von ad-hoc-Rückstellungen zu erbringen. Ein solches Konstrukt würde die Steuerbefreiung der vom Arbeitgeber zu entrichtenden Leistungen zulassen, da sowohl die der Einrichtung gezahlten Beiträge als auch das Vermögen der Einrichtung von jeder direkten Steuer befreit sind. Da heutzutage die Vorstellung eines flexibleren, über mehrere Jahre verteilten Arbeitszeitmanagements unter Einbeziehung der Pensionskasse als «Verwalterin» von Zeit und Einkommen zusehends an Bedeutung gewinnt, könnte die aktuell zulässige Verwendung des Vermögens der Einrichtung ausschliesslich zu Vorsorgezwecken neu überdacht werden. Dazu wären allerdings Gesetzesänderungen erforderlich.

Ein weiteres Beispiel, bei dem die Vorsorgeeinrichtung an die Stelle des Arbeitgebers tritt, ist die Zahlung von Provisionen an die vom Arbeitgeber beauftragten Versicherungsmakler. Denn nach  schweizerischem  Recht ist der Arbeitgeber, der obligatorisch zu versichernde Arbeitnehmer beschäftigt, dazu verpflichtet, diese bei einer Pensionskasse zu versichernv. Einige Arbeitgeber lassen sich bei der Suche nach einer Pensionskasse von einem Broker unterstützen. Oft ist es aber nicht der Arbeitgeber, der den Makler für seine Dienste entschädigt, sondern die letztendlich gewählte Vorsorgeeinrichtung. Diese Entschädigung wird während der gesamten Dauer des Anschlusses gezahlt, in der Regel aus dem Vorsorgevermögen, statt vom Arbeitgeber. Wir möchten nicht weiter auf dieses heisse Thema der Courtagen eingehen. Dennoch ist zu beachten, dass in diesem Fall das Vorsorgevermögen primär im Interesse des Arbeitgebers und nicht des Versicherten verwendet wird, was die Steuerbefreiung der Vorsorgeeinrichtung gefährden könnte. 

Mögliche oder sogar wünschenswerte Entwicklungen

Von der Einkommens- und Vermögenssteuer befreit sind nur Stiftungen oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die Vorsorgeleistungen im Sinne des BVG und von Art. 89a ZGB erbringen.vi Alle übrigen Leistungen sind davon ausgeschlossen (Ausnahme: die patronalen Wohlfahrtsfonds, die bedürftigen Personen reine, nicht regelmässige Ermessensleistungen erbringen).
Bekanntlich sind Arbeitsweisen und Lebensformen genau wie Medizin und Technologie derzeit einem starken Wandel unterworfen. Die Suche nach der besten Governance, um die Interessenkonflikte im Interesse der versicherten Personen bestmöglich zu lösen, steht deshalb auf der Agenda vieler Einrichtungen. So schaffen gewisse Vorsorgeeinrichtungen Gesellschaften zur Verteidigung dieser Interessen, insbesondere dann, wenn die Versicherten von Gesetzes wegen zum Anschluss an mehrere Einrichtungen gezwungen sind (beispielsweise Basisplan und Kaderplan mit individuell wählbarer Anlagestrategie, der sogenannte 1e-Plan). Diese Gesellschaften, die als verlängerter Arm von Vorsorgeeinrichtungen agieren, kommen gemäss der aktuellen Rechtslage aber nicht in den Genuss einer Steuerbefreiung.
Diese Entwicklung sollte uns dazu veranlassen, rasch über gangbare Lösungswege nachzudenken, die den Geist des Gesetzgebers wahren, das heisst, die Vorsorge fördern und den Missbrauch verhindern, gleichzeitig aber das System modernisieren, um aktuellen und künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Hierzu führen wir zwei Beispiele an.

Generationenübergreifende Unterstützung 
Erweiterung des Kreises von natürlichen oder juristischen Personen, denen es erlaubt wäre, unregelmässig oder einmalig zusätzliche Sparbeiträge auf ein einziges Sparkonto einer anderen versicherten Person einzuzahlen; dabei müsste man keiner Einrichtung angeschlossen sein und käme gleichzeitig in den Genuss des Steuerabzuges dieser unwiderruflich eingezahlten Beträge (z.B. Verbesserung der Altersvorsorge für Nichterwerbstätige, Profisportler, nicht eingetragene Partner usw.). Dies wäre eine erhebliche Änderung des derzeitigen Systems, weil so die Möglichkeit von Einzahlungen in die 2. Säule von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit entkoppelt würde.

Umschulung und Neuorientierung
Die exponenziell Fortschreitende technologische Entwicklung wird viele Erwerbstätige dazu zwingen, sich im Laufe ihres Berufslebens mehrmals umschulen zu lassen oder gar während einer begrenzten Zeit eine zusätzliche Ausbildung zu absolvieren (zum Beispiel bei obsolet gewordenen Berufen). Die berufliche Vorsorge könnte einen Mechanismus vorsehen, der es Erwerbstätigen ermöglicht, diesen Zeitraum mit einem vorgezogenen Ersatzeinkommen zu überbrücken.

Andere Steuern

Der vorliegende Artikel beschränkt sich auf die Einkommens- und Vermögenssteuer. Art. 80 BVG legt fest, dass die Vorsorgeeinrichtungen auch von Erbschafts- und Schenkungssteuern der Kantone und Gemeinden befreit sind. Liegenschaften dürfen mit Grundsteuern, mit Handänderungssteuern und Grundstückgewinnsteuern nach kantonalem Gesetz belastet werden; bei Fusionen oder Aufteilungen von Vorsorgeeinrichtungen dürfen jedoch keine Gewinnsteuern erhoben werden. Vorsorgeeinrichtungen sind zwar nicht mehrwertsteuerpflichtig, haben aber seit der Aufhebung von Art. 16 Abs. 3 der Verordnung die Möglichkeit einer Gruppenbesteuerung. Diese Option könnte von Arbeitgebern mit firmeneigener Pensionskasse in Erwägung gezogen werden. Die Frage der Solidarhaftung bleibt indessen offen.

 

Artikel veröffentlicht in der VPS-Zeitschrift Ausgabe 12/2020

Isabelle Amschwand
lic. iur., ASTIA SA, Gründerin
Präsidentin der FCT und FCT 1e (Sammelstiftungen)

Bertrand Tille
lic. iur. LLM Europäisches Recht, Kantonale Steuerverwaltung (Waadt), Präsident der Arbeitsgruppe "Renten und Steuern", CSI


i Vgl. Art. 1 Abs.3 BVG, der dem Bundesrat die entsprechende Befugnis erteilt, sowie Art. 1 bis 1h BVV 2.

ii Schweizerische Steuerkonferenz, Vorsorge und Steuern, Cosmos-Verlag, ISBN 2-8296- 0028-2, Anwendungsfall A. 1.3.2 und A. 1.3.3.

iii Vgl. Art. 19a Abs. 2 FZG, in Kraft seit dem 1. Oktober 2017.

iv Vgl. Urteil des BGer vom 12. März 2010 (2010 2C_658/2009) und die steuerlichen Auswirkungen von Art. 79b Abs. 3 BVG.

v Vgl. Art. 11 BVG.

vi Die Form einer Genossenschaft ist lediglich für im überobligatorischen Bereich tätige Einrichtungen gemäss Art. 331 OR zulässig.