
Folge 3 – Welches ist der Umfang der Reform und welches sind ihre Hauptziele?
Altersvorsorge 2020, die umfassende Reform des Schweizer Sozialversicherungssystems
Als Fortsetzung unserer Artikelserie zum umfassenden Reformprojekt des Bundesrats «Altersvorsorge 2020» präsentieren wir Ihnen heute:
Folge 3 – Welches ist der Umfang der Reform und welches sind ihre Hauptziele?
Winston Churchill war der Meinung: «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.» Der Wille, der in unseren eidgenössischen Räten in den letzten Wochen der Debatte über die «Altersvorsorge 2020» zum Ausdruck kam, war allerdings nicht der stärkste. Es musste lange gesucht werden, bis ein sehr schmaler Ausweg aus der Sackgasse gefunden wurde, in der unser Altersvorsorgeprojekt steckte. Es heisst bekanntlich, die erfolgreichsten Kompromisse seien diejenigen, mit denen am Ende niemand zufrieden ist. Letzteres trifft auf den gerade vom Parlament verabschiedeten Kompromiss zweifellos zu; davon zeugt die gespaltene Haltung der Befürworter der verschiedenen in den endlosen Sitzungen erörterten Lösungen gegenüber dem endgültigen Projekt, das dem Volk im Herbst zur Abstimmung vorgelegt wird.
Nach Abschluss der Debatten haben sich die beiden eidgenössischen Räte an den Grundsätzen der vom Bundesrat in seiner Mitteilung von November 2014 formulierten Vorschläge orientiert. Hauptziel bleibt die erstmalige Erarbeitung einer globalen und simultanen Reform der AHV und der zweiten Säule, wobei der Schwerpunkt auf zwei prioritären Zielen liegt: Erhalt des derzeitigen Rentenniveaus und Anpassung der Finanzierungsbasen unseres Vorsorgesystems an die neuen wirtschaftlichen und demografischen Gegebenheiten.
Doch wie immer steckt der Teufel im Detail, und bis die Reform eine präzise Gestalt annehmen konnte, waren gelinde gesagt lebhafte parlamentarische Debatten notwendig. Damit das Projekt erfolgreich in die Wege geleitet werden kann, haben sich unsere Politiker vehement über die grundlegenden Unstimmigkeiten ausgetauscht, von denen die wichtigste der stark umstrittene Ausgleich des Mindestumwandlungssatzes war. Wie lautet nun also das Rezept, das uns für die Erreichung der ehrgeizigen Reformziele präsentiert werden wird? Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Elemente:
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Anhebung des ordentlichen Rentenalters in der AHV und der beruflichen Vorsorge auf 65 Jahre bei den Frauen ab dem Inkrafttreten der Reform und mit vier dreimonatigen Abstufungen. Ab 2021 wird es für Frauen und Männer also nur noch das einheitliche Rentenalter von 65 Jahren geben.
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Flexibilisierung des Rentenalters: Einführung eines flexiblen Rentenalters zwischen 62 und 70 Jahren in der AHV und in der zweiten Säule. Möglichkeit eines Teilrentenvorbezugs oder Teilrentenaufschubs. In der beruflichen Vorsorge wird das Mindestalter für den Vorbezug der Altersleistung von 58 auf 62 Jahre angepasst, wobei Ausnahmen möglich sind.
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Progressive Senkung des Mindestumwandlungssatzes um jährlich 0,2 % von 6,8 % auf 6 %. Hierzu gibt es mehrere Kompensationsmassnahmen: In der AHV einen Zuschlag von 70 Franken pro Monat auf alle neu entstehenden Altersrenten der AHV, Erhöhung des Plafonds für Ehepaare von 150 % auf 155 % der Maximalrente sowie Erhöhung der Beiträge um 0,3 %. Bei der beruflichen Vorsorge wird der Koordinationsabzug gesenkt und flexibler gestaltet, und die Altersgutschriftensätze und Zuschüsse bei der Übergangsgeneration werden angepasst.
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Last, but not least Zusatzfinanzierung der AHV durch Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,6 Prozentpunkte in zwei Etappen: 0,3 Punkte im 2018 durch Übertragung der IV-Zusatzfinanzierung an die AHV und 0,3 Prozentpunkte zusätzlich im Jahr 2021.
Mit der Verabschiedung dieser Massnahmen durch das Parlament wurde ein erster entscheidender Schritt getan. Doch die Angelegenheit bleibt spannend, denn am 24. September 2017 werden die Schweizer Bürgerinnen und Bürger über die für die Mehrwertsteuererhöhung notwendige Verfassungsänderung abstimmen, mit der das Schicksal der Altersvorsorge 2020 eng verknüpft ist(1). Falls ein Referendum zustande kommt(2), muss das Schweizer Stimmvolk an diesem Tag noch über das Projekt Altersvorsorge 2020 entscheiden. Die Reform würde bereits bei einer einzigen Ablehnung kippen, und wer könnte heute von sich behaupten, die Abstimmungsergebnisse vorhersagen zu können? In der jüngeren Vergangenheit wurden bereits Teilreformvorhaben vom Volk abgelehnt. Dies ist uns allen noch gut im Gedächtnis, und der stark emotionale Charakter einiger der im jüngsten Reformprojekt enthaltenen Vorschläge macht eine Prognose noch schwieriger.
Wir möchten zur Klärung und Transparenz der Diskussion beitragen und werden daher in den nächsten Ausgaben unseres Newsletters detaillierter auf die einzelnen vorgeschlagenen Massnahmen eingehen. Aufgrund der Bedeutung und Komplexität der vorgesehenen Massnahmen erscheint es uns sehr wichtig zu sein, einen Beitrag zur notwendigen Analyse und Erklärung der mit der Reform verbundenen Probleme zu leisten. Da es sich um eine globale Reform handelt, sind auch die vorgeschlagenen Lösungen global, und es besteht die Gefahr, dass eine einzige umstrittene Massnahme das gesamte Projekt zum Scheitern bringen könnte, wenn sie isoliert und aus dem allgemeinen Reformkontext herausgerissen betrachtet wird. Die Auswirkungen auf unsere Renten und auf die Zukunft der Altersvorsorge in der Schweiz kann nur realistisch abgeschätzt werden, wenn alle vorgeschlagenen Massnahmen in ihrer Gesamtheit untersucht und verstanden werden.
(1) Der Bundesbeschluss und das Gesetz hängen voneinander ab, sie können nur gemeinsam in Kraft treten.
(2) Ablauf der Referendumsfrist am 06.07.2017
Und die Rente mit 67?
Diese Idee ist in der Vergangenheit regelmässig auf starkes Missfallen gestossen! Seit dem Jahrtausendwechsel wurden verschiedene Vorschläge für die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre vorgelegt, gegen die sich unweigerlich starker Widerstand regte.
Auf Initiative der Mehrheit des Nationalrats ist dieses Thema im Rahmen der Reform «Altersvorsorge 2020» wieder auf den Tisch gekommen. Die Idee dabei war, mit automatischen Eingriffen das finanzielle Gleichgewicht der AHV zu gewährleisten. Sollte der Ausgleichsfonds der AHV nur noch 80 % seiner Ausgaben decken und keinerlei Reform beschlossen werden, sollen zwei Massnahmen automatisch in Kraft treten: die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre und eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer. Der sehr umstrittene Vorschlag wurde schliesslich jedoch in den parlamentarischen Debatten verworfen, was in den aktuellen Kompromiss der eidgenössischen Räte mündete.
Das ordentliche Rentenalter 67 kommt diesmal also noch nicht. Es ist jedoch anzunehmen, dass dieses heikle Thema in Zukunft bei den hitzigen Diskussionen über die längerfristige Zukunft unserer Renten wieder auf den Tisch kommen wird!
Wir freuen uns auf Ihr Feedback, Ihre Vorschläge oder Fragen an News.FondationFCT@trianon.ch und machen Ihnen jetzt schon den vierten Teil unserer Artikelserie zum Thema Altersvorsorge 2020 schmackhaft, bei der es detaillierter um einige der Reformmassnahmen gehen wird.