Folge 6 – Altersvorsorge 2020 : flexibles Rentenalter!

Altersvorsorge 2020, die umfassende Reform des Schweizer Sozialversicherungssystems

Als Fortsetzung unserer Artikelserie zum umfassenden Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» präsentieren wir Ihnen heute:

Folge 6 – Altersvorsorge 2020: flexibles Rentenalter!

Die Hauptziele des Reformprojekts Altersvorsorge 2020 sind bekannt: Es geht darum, das finanzielle Gleichgewicht unseres Altersvorsorgesystems mittelfristig zu gewährleisten und dabei das Leistungsniveau der gesetzlichen Vorsorge dank Ausgleichs- und Begleitmassnahmen aufrechtzuerhalten. Und wie so oft ist das Geld die Triebfeder. Gewisse Massnahmen des Gesamtpakets wie die Anhebung des Rentenalters für Frauen oder die Senkung des Mindestumwandlungssatzes wurden in den eidgenössischen Räten hitzig diskutiert und in den Medien ausgiebig kommentiert.

Doch die Vorlage beinhaltet einen weiteren wichtigen Schwerpunkt, der nicht rein finanzieller Natur ist und kein so grosses Medieninteresse geweckt hat: die Flexibilisierung des Rentenalters. Diese Komponente der Reform ist aber alles andere als vernachlässigbar. Ihr Ziel ist es, auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der individuellen Bedürfnisse zu reagieren, indem sie jedem Einzelnen neue Möglichkeiten bietet, seine Pensionierung flexibler und individueller zu gestalten, sowohl in der AHV als auch in der beruflichen Vorsorge. Wie also will das Reformprojekt die Bedingungen bezüglich Flexibilisierung des Rentenalters ausgestalten?

Es geht zuallererst einmal darum, die heutige Bezeichnung «ordentliches Rentenalter» durch den Begriff «Referenzalter» zu ersetzen, damit ein flexiblerer Übertritt in den Ruhestand möglich wird, wobei aber ein Referenzpunkt für die Rentenberechnung und die Koordination mit den anderen Sozialversicherungen beibehalten wird. Dieses neue Referenzalter, das schrittweise auf 65 Jahre für Männer und Frauen harmonisiert wird, wird dann nicht mehr unbedingt gleichbedeutend sein mit dem Rückzug aus dem Arbeitsmarkt, sondern wird einfach zu dem Moment, in dem eine Person ihre Rente ohne Leistungskürzung (bei Vorbezug) oder Leistungszuschlag (bei Aufschub) erhält.

und um dieses Referenzalter sieht das Projekt die Festlegung einer Bandbreite von 62 bis 70 Jahren vor, während derer jeder Einzelne grössere Möglichkeiten hat zu bestimmen, wann und wie er das Berufsleben aufgeben und seine Rente beziehen möchte. Die wichtigsten Optionen:

Rentenvorbezug

  • Vorbezug der Rente ab 62 Jahren mit koordinierter Rentenkürzung in der 1. und der 2. Säule: Gegenüber der heutigen Regelung wird in der AHV ein drittes Vorbezugsjahr eingeführt und in der beruflichen Vorsorge wird das Mindestalter für die Pensionierung von 58 auf 62 Jahre angehoben (vorbehaltlich gewisser Spezialfälle). Die Vorsorgeeinrichtungen können jedoch in ihrem Reglement einerseits einen Vorbezug von maximal 5 Jahren und ein Mindestalter von 60 Jahren und andererseits eine Übergangsbestimmung vorsehen, die während einer Periode von 5 Jahren die Beibehaltung der vorzeitigen Pensionierung mit 58 Jahren für Versicherte, die am 31. Dezember 2017 noch nicht 58 Jahre alt sind, ermöglicht.

Rentenaufschub

  • In der AHV bleibt der Rentenaufschub auf maximal 5 Jahre mit Rentenzuschlag beschränkt. In der obligatorischen beruflichen Vorsorge ist der Aufschub bis 5 Jahre ebenfalls möglich. Die Reform sieht vor, dass er mit der Weiterführung einer Erwerbstätigkeit ohne Beitragspflicht verbunden ist, die Vorsorgeeinrichtungen können jedoch die Möglichkeit der Beitragspflicht in ihrem Reglement vorsehen.

Weiterführung einer Erwerbstätigkeit

  • Heute werden die AHV-Beiträge der Rentner, die weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgehen, bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt. Diese können jedoch einen Freibetrag von 16’800 Franken pro Jahr geltend machen. Im Rahmen der Altersvorsorge 2020 ist dies nicht mehr der Fall: Personen, die weiterarbeiten und Beiträge leisten, können bis zum 70. Altersjahre eine einmalige Neuberechnung der Rente verlangen, bis zur Maximalrente. Der Freibetrag wird abgeschafft. In der beruflichen Vorsorge müssen die Versicherten, die weiter einer Erwerbstätigkeit nachgehen, keine Beiträge mehr leisten, aber die Pensionskasse kann ihnen dennoch die Möglichkeit dazu geben.

Schrittweiser Übergang in den Ruhestand

  • Heute ist es in der AHV nicht möglich, einen Teil seiner Rente vorzubeziehen oder aufzuschieben. Auch in der obligatorischen beruflichen Vorsorge sieht das geltende Gesetz die Möglichkeit nicht vor, nur einen Teil der Rente zu beziehen (aber die Vorsorgeeinrichtungen bieten dies in ihrem Reglement oft an). Mit der Reform wird es möglich sein, schrittweise in den Ruhestand zu gehen (und koordiniert in der AHV und der beruflichen Vorsorge) und Teilrenten zwischen 20% und 80% zu beziehen, indem Renten und Erwerbstätigkeit kombiniert werden.

All diese verschiedenen Möglichkeiten sind in einer Tabelle am Ende dieses Newsletters zusammengefasst.

Und schliesslich sieht die Reform eine Sonderregelung vor für Personen, die lange gearbeitet und nur wenig verdient haben und vorzeitig in den Ruhestand gehen möchten: Der anwendbare Kürzungssatz bei Vorbezug für diese Personen, die mit den normalen Kürzungssätzen kaum eine vorzeitige Pensionierung ins Auge fassen könnten, wird geringer sein.

Soll man sich also vorzeitig pensionieren lassen, länger arbeiten oder den schrittweisen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand wählen? Jeder soll aufgrund seiner persönlichen und beruflichen Situation die Lösung wählen, die für ihn stimmt. Aber die neuen Möglichkeiten der Altersvorsorge 2020 dürften eine grössere Flexibilität bei der passenden Wahl bieten.

Wie immer freuen wir uns auf Ihr Feedback, Ihre Vorschläge oder Fragen an News.FondationFCT@trianon.ch und machen Ihnen jetzt schon den nächsten Teil unserer Artikelserie zum Thema Altersvorsorge 2020 schmackhaft, bei der es um die finanziellen Aspekte der Reform gehen wird.


Ein kluges Gleichgewicht!

Durch dieses Massnahmenpaket strebt die Altersvorsorge 2020 also ein A-la-carte-Rentensystem in einer festgelegten Altersbandbreite an. Aber Vorsicht: Die in der Vorlage enthaltenen Vorschläge dürfen nicht als Ermutigung oder Wille zur Senkung des Durchschnittsalters der Pensionierung verstanden werden!

Während nämlich die Reform eine Flexibilisierung der Bedingungen der Pensionierung anstrebt, will sie auch eine andere Herausforderung meistern: dass das Durchschnittsalter des Ausscheidens aus dem Arbeitsmarkt tatsächlich bei 65 Jahren liegt. Massnahmen wie die Harmonisierung des Referenzalters bei 65 Jahren, die Erhöhung des Mindestalters von 58 auf 62 Jahre in der beruflichen Vorsorge sowie die Einführung von Anreizmassnahmen für die Weiterführung der Erwerbstätigkeit vor und nach dem Referenzalter sind Ausdruck dieser Bestrebung. Der Grund dafür ist simpel: Die Teilnahme der älteren Generationen am Erwerbsleben ist notwendig, um die Altersvorsorge zu finanzieren.

Die Altersvorsorge 2020 ist also ein kluges Gleichgewicht zwischen den Massnahmen zur Erleichterung der vorzeitigen Pensionierung und den Anreizen, länger zu arbeiten.

 
  Heutige Regelung Altersvorsorge 2020
Rentenalter in der AHV 65 Jahre für Männer, 64 Jahre für Frauen. Harmonisierung bei 65 Jahren für Männer und Frauen (schrittweise Erhöhung um ein Jahr bei den Frauen um jeweils drei Monate pro Jahr ab 2018).
Rentenalter in der zweiten Säule 65 Jahre für Männer, 64 Jahre für Frauen, vorbehaltlich anderer Bestimmungen in den Vorsorgeeinrichtungsreglementen. Harmonisierung bei 65 Jahren für Männer und Frauen (schrittweise Erhöhung um ein Jahr bei den Frauen um jeweils drei Monate pro Jahr ab 2018).
Vorbezug in der AHV Maximal 2 Jahre, mit einem Rentenkürzungssatz von jährlich 6,8%. Ab 62 Jahren (d. h. ein Jahr mehr für Männer), mit einem an die Lebenserwartung angepassten geringeren Kürzungssatz.
Vorbezug in der zweiten Säule Keine speziellen Bestimmungen, aber Vorbezug in der Regel im Vorsorgeeinrichtungsreglement vorgesehen (oft bei 58 Jahren). Ab 62 Jahren, vorbehaltlich gewisser Spezialfälle. Wenn die Vorsorgeeinrichtungen dies vorsieht, Möglichkeit des Vorbezugs von maximal 5 Jahren und Mindestalter von 60 Jahren und/oder Beibehaltung der vorzeitigen Pensionierung mit 58 Jahren während einer Übergangsfrist von 5 Jahren für Versicherte, die am 31. Dezember 2017 noch nicht 58 Jahre alt sind.
Aufschub in der AHV Bis maximal 5 Jahre, mit Anrecht auf einen gestaffelten Rentenzuschlag je nach Dauer des Aufschubs. Bis maximal 5 Jahre (unverändert), mit Anrecht auf einen zu einem tieferen Satz berechneten Zuschlag, der an die Lebenserwartung angepasst wird.
Aufschub in der zweiten Säule Keine speziellen Bestimmungen, aber die Möglichkeit eines Aufschubs kann im Vorsorgeeinrichtungsreglement vorgesehen sein. Bis maximal 5 Jahre, aber nur, wenn der Versicherte weiterhin erwerbstätig ist. Keine Beitragspflicht, aber das Vorsorgeeinrichtungsreglement kann die Möglichkeit dazu vorsehen.
Weiterführung einer Erwerbstätigkeit ab Referenzalter in der AHV Die nach dem Rentenalter bezahlten Beiträge geben keinen Anspruch auf einen Rentenzuschlag. Anwendung eines Freibetrags von 16’800 Franken pro Jahr. Berücksichtigung der nach dem Referenzalter bezahlten Beiträge für die Rentenneuberechnung, bis zur Maximalrente. Aufhebung des Freibetrags.
Weiterführung einer Erwerbstätigkeit ab Referenzalter in der zweiten Säule Keine speziellen Bestimmungen, aber flexible Pensionierung in der Regel im Vorsorgeeinrichtungsreglement vorgesehen. Versicherten, die weiter einer Erwerbstätigkeit nachgehen, müssen keine Beiträge mehr leisten, aber die Vorsorgeeinrichtung kann dennoch die Möglichkeit dazu vorsehen.
Schrittweiser Übergang in den Ruhestand in der AHV Teilrentenvorbezug oder Teilrentenaufschub nicht möglich. Möglichkeit, schrittweise in den Ruhestand zu gehen und Teilrenten zwischen 20% und 80% zu beziehen.
Schrittweiser Übergang in den Ruhestand in der zweiten Säule Nicht möglich, nur eine Teilrente zu beziehen, aber in der Regel im Vorsorgeeinrichtungsreglement vorgesehen. Möglichkeit, schrittweise in den Ruhestand zu gehen und Teilrenten zwischen 20% und 80% zu beziehen.