
Neue Bestimmungen für den Vorsorgeausgleich bei Scheidung
Entstehungsgeschichte Die heute geltenden Bestimmungen bezüglich Vorsorgeausgleich bei Scheidung (Art. 122 – 124 ZGB) sind am 1. Januar 2000 in Kraft getreten. Kritische Stimmen waren schon bald zu hören. Manche fanden die Regeln zu starr, da sie den Scheidungskandidaten zu wenig Handlungsspielraum gewährten. Andere bemängelten, dass die Bestimmungen mehr oder weniger systematisch zu Ungunsten des Ehegatten, welcher keiner Erwerbstätigkeit nachging, ausfielen.
Der Bundesrat hat die Notwendigkeit erkannt, die Bestimmungen zu verbessern. Eine von der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates im Jahre 2005 hinterlegte Motion wurde Ende 2006 gutgeheissen.
Die Ausarbeitung der Gesetzesänderung benötigte in der Folge ein wenig Zeit. Die Botschaft des Bundesrates betreffend den Vorsorgeausgleich wurde erst am 29. Mai 2013 publiziert. Dafür waren die parlamentarischen Verhandlungen kurz. Nachdem jeder Rat den Text einmal behandelt hatte, wurde der definitive Text anlässlich der Schlussabstimmung der Sommersession am 19. Juni 2015 verabschiedet. Zurzeit läuft die Referendumsfrist, und dies noch bis am 8. Oktober 2015. Angesichts der spärlichen Opposition im Parlament und der Tatsache, dass niemand das Referendum angekündigt hat, ist davon auszugehen, dass der verabschiedete Text in Kraft treten wird.
Nach Ablauf der Referendumsfrist wird der Bundesrat die Ausführungsverordnung erstellen und das Datum des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen festlegen, was frühestens am 1. Januar 2016 sein wird.
Die beiden wichtigsten Neuerungen
Entgegen den heute geltenden Bestimmungen wird der Vorsorgeausgleich neu auch dann vorgenommen, wenn ein Vorsorgefall (Invalidität oder Alter) bei einem Ehegatten im Zeitpunkt der Eröffnung des Scheidungsverfahrens eingetreten ist. Der Richter wird also keine angemessene Entschädigung mehr zusprechen, wie dies heute in Art. 124 Abs. 1 ZGB vorgesehen ist, sondern die Teilung vornehmen. Ist ein Ehegatte invalid und hat er das Rentenalter noch nicht erreicht, so wird für den Vorsorgeausgleich auf jene hypothetische Austrittsleistung abgestellt, auf die diese Person Anspruch hätte, wenn die Invalidität entfallen würde. Hat der Ehegatte das Rentenalter bereits erreicht und bezieht er eine Alters- oder Invalidenrente, so wird die Rente geteilt. Der dem berechtigten Ehegatten zugesprochene Rentenanteil wird in eine lebenslange Rente umgerechnet. Diese wird ihm von der Vorsorgeeinrichtung des verpflichteten Ehegatten ausgerichtet oder in seine Vorsorge übertragen.
Dieses Grundprinzip ist jedoch nicht in Stein gemeisselt. So können die Ehegatten andere Teilungsmodalitäten vorsehen oder auf den Vorsorgeausgleich ganz oder teilweise zu verzichten, wenn dadurch ihre angemessene Vorsorge gewährleistet bleibt. Das Gericht prüft von Amtes wegen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist.
Die Ausführungsverordnung wird insbesondere auf die versicherungstechnische Umrechnung des Rentenanteils in eine lebenslange Rente sowie auf das Vorgehen in Fällen, in denen die Altersleistung aufgeschoben oder die Invalidenrente wegen Überentschädigung gekürzt ist, eingehen.
Die zweite hauptsächliche Neuerung betrifft den Zeitpunkt der Teilung der Altersguthaben. Neu wird nicht mehr auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils, sondern auf das Datum der Eröffnung des Scheidungsverfahrens abgestellt. Dies hat den Vorteil der Rechtssicherheit und vermeidet stossende Ergebnisse, wenn die Dauer des Scheidungsverfahrens die Zeitspanne zwischen dem Heiratsdatum und der Eröffnung des Scheidungsverfahrens deutlich übersteigt.
Autres nouveautés
Die Vorsorgeeinrichtung hat künftig jährlich bis Ende Januar alle Personen, für die im Dezember des Vorjahres ein Guthaben geführt wurde, der Zentralstelle 2. Säule zu melden. Diese Meldepflicht vereinfacht dem Richter die Arbeit und hat zum Ziel, dass sämtliche vorhandenen Altersguthaben zum Vorsorgeausgleich herangezogen werden.
Die schweizerischen Gerichte sind ausschliesslich für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen zuständig. Anwendbares Recht ist das schweizerische Recht.
Es kann noch hervorgehoben werden, dass alle hängigen Scheidungsverfahren ab Inkrafttreten der neuen Bestimmungen nach neuem Recht beurteilt werden. Zudem können unter altem Recht zugesprochene Renten innerhalb eines Jahres in das neue Recht hinübergeführt werden, falls der verpflichtete Ehegatte eine Invalidenrente nach dem reglementarischen Rentenalter oder eine Altersrente bezieht. Eine Überführung ins neue Recht hat den Vorteil, dass der Anspruch des berechtigten Ehegatten auf eine Rente nicht mit dem Tod des verpflichteten Ehegatten endet.
Die neuen Bestimmungen führen zu einem besseren Vorsorgeausgleich, insbesondere für nichterwerbstätige Personen. Sie erhöhen jedoch auch den administrativen Aufwand der Vorsorgeeinrichtungen, insbesondere wegen der Verwaltung lebenslänglicher Renten von Personen, die nicht bei der Vorsorgeeinrichtung versichert sind, und der Meldepflicht an die Zentralstelle 2. Säule.
Daniel Stürzinger, MLaw, CAS Sozialversicherungsrecht, Beratungsdienst Vorsorge, Trianon AG Renens/Zürich